Gries im Wandel der Zeit

Gries, ein geschichtsträchtiger Stadtteil von Bozen, hat im Laufe der Jahrhunderte eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Vom mittelalterlichen Burgdorf über einen bedeutenden Kurort bis hin zum Schauplatz schwerer politischer Konflikte im 20. Jahrhundert – die Geschichte von Gries spiegelt sowohl die kulturelle Vielfalt als auch die politischen Umbrüche Südtirols wider.


Mittelalter: Entstehung und Aufstieg

Die Ursprünge von Gries liegen im Hochmittelalter, als sich um eine Burg, die von einem mittlerweile ausgestorbenen Adelsgeschlecht errichtet wurde, eine kleine Siedlung formte. Meinhard II. von Tirol-Görz förderte Gries durch besondere Privilegien, wodurch es im Gegensatz zum bischöflich dominierten Bozen an Bedeutung gewann. Die Verleihung des Marktrechts für den St.-Andreas-Markt machte Gries zu einem wichtigen Handelszentrum der Region.

Eine bedeutende Aufwertung erfolgte im frühen 15. Jahrhundert durch Friedrich IV. von Habsburg, der das Augustinerchorherrenstift Maria in der Au, ursprünglich im 12. Jahrhundert von Mathilde von Valley, der Gattin Arnolds III. von Morit-Greifenstein, am Eisack gegründet, in die Burg Gries verlegte. Dieses Kloster wurde zu einem kulturellen und geistlichen Zentrum, das die Entwicklung von Gries über Jahrhunderte prägte.


Blütezeit im 19. Jahrhundert: Gries als Kurort

Im 19. Jahrhundert erlebte Gries eine Blütezeit als Kurort. Dank seines milden Klimas und seiner malerischen Lage zog es Erholungssuchende aus der gesamten Habsburgermonarchie und dem Deutschen Reich an.

Historische Orte wie die Erzherzog-Heinrich-Promenade, benannt nach Erzherzog Heinrich von Österreich (1828–1891), erinnern an diese Epoche. Die Bauten jener Zeit – darunter Hotels und Villen wie Sonnenhof, Germania, Austria, Bauer-Grünwald und Marienheim – zeugen von der Beliebtheit des Kurorts. Diese Ära wurde sogar filmisch festgehalten, etwa im Stummfilm „Bozen mit dem Luftkurort Gries“ von 1912.


Faschistische Gewaltherrschaft und erzwungene Abwanderung (Option)

Nach der Eingliederung Südtirols in Italien im Jahr 1919 begann mit der faschistischen Machtergreifung eine Zeit des Leids für die deutschsprachige Bevölkerung. Die Italienisierungspolitik der Faschisten zielte darauf ab, die deutsche Sprache und Kultur systematisch zu unterdrücken. In Gries und anderen Teilen Südtirols wurden Schulen und Vereine geschlossen, deutsche Orts- und Straßennamen ersetzt und deutschsprachige Publikationen verboten.

Ein besonders einschneidendes Ereignis war die sogenannte Option von 1939. Den deutschsprachigen Südtirolern wurde die Wahl gestellt, entweder nach Deutschland oder in andere von den Nationalsozialisten besetzte Gebiete auszuwandern oder als Italiener unter faschistischer Herrschaft in Südtirol zu bleiben. Viele Familien aus Gries sahen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Häuser und Betriebe wurden von Italienern übernommen, die im Zuge der faschistischen Umsiedlungspolitik ins Land gebracht wurden.


Bombenjahre und Freiheitskampf

Nach dem Krieg formierte sich in Gries und ganz Südtirol der Widerstand gegen die italienische Fremdherrschaft. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde der Freiheitskampf durch den Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) geprägt, dessen Mitglieder auch in Gries aktiv waren. Luis Amplatz, ein bekannter Freiheitskämpfer und BAS-Mitglied, stammte aus Gries. Sein Engagement gegen die Unterdrückung der Südtiroler Bevölkerung und sein tragischer Tod 1964 machten ihn zur Symbolfigur des Widerstands.

Die sogenannten Feuernächte von 1961, in denen Freiheitskämpfer Strommasten und andere Infrastruktureinrichtungen sprengten, waren Ausdruck der verzweifelten Forderung nach Autonomie. Auch Gries war von den Aktionen und den anschließenden Repressionen betroffen.


Faschismus und die Umgestaltung von Gries

In den 1920er- und 1930er-Jahren begann das faschistische Regime mit einer umfassenden Umgestaltung von Gries. Im Zuge des Projekts „Groß-Bozen“ entstanden neue Straßenzüge und Bauten im faschistischen Stil, darunter:

  • Das Siegesdenkmal, eingeweiht 1928, als Symbol der italienischen Vorherrschaft,
  • Der ehemalige Parteisitz der Faschisten (heute Steueramt),
  • Das neue Gerichtsgebäude.

Diese Bauwerke sollten die faschistische Macht demonstrieren und die kulturelle Identität Südtirols verdrängen.


Bürgermeister der Marktgemeinde Gries

Bis zur Eingemeindung in die Stadt Bozen 1925 war Gries eine eigenständige Marktgemeinde. Zu den wichtigsten Bürgermeistern zählen:

  1. Karl von Zallinger (1850–1860): Förderer der Infrastruktur von Gries.
  2. Anton Schmid (1861–1876): Leitete die Modernisierung der Gemeinde.
  3. Johann Nepomuk Baron von Giovanelli (1876): Kurzzeitiger Bürgermeister aus der angesehenen Giovanelli-Familie.
  4. Franz Tutzer (1877–1886): Fördert die Entwicklung von Gries als Kurort.
  5. Franz Lintner-Unterrautner (1886–1907): Verantwortlich für den Bau der Promenaden.
  6. Josef Mumelter-Möckl (1908–1925): Letzter Bürgermeister vor der Eingliederung in Bozen.

Fazit: Die wechselvolle Geschichte von Gries

Die Geschichte von Gries ist geprägt von Wachstum, Zerstörung und Widerstand. Vom mittelalterlichen Handelszentrum über die Blütezeit als Kurort bis hin zu den dramatischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts – Gries blieb stets ein Ort der Veränderung. Heute verbindet es die Spuren seiner Vergangenheit mit den Herausforderungen der Moderne und ist ein lebendiges Zeugnis der wechselvollen Geschichte Südtirols.